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Jealous? - Until Now - en Detail

Im Folgenden eine Rezension von einem, der  allein wegen seiner Vorliebe für Synthie-Pop der 80er als vollkommen unvoreingenommen gelten dürfte:

Egal, wie viele Rechtschreibfehler der folgende Text auch immer beinhalten mag: Das Fragezeichen im Titel ist völlig korrekt. Eines als integraler Bestandteil des Bandnamens und eines als Symbol für die unbefangene Neugierde des Verfassers dieser Zeilen vor dem ersten akustischen Kontakt mit dem musikalischen Schaffen der Heilbronner Truppe. Wie komme ich dazu?

Mein erster vorakustischer Kontakt entstand auf denkbar ungewöhnliche Weise: Beim Wandern in den Tälern rund um Nepals beeindruckende Annapurna und zunächst eher als Abgrenzung zu einem meiner wandernden Mitstreiter. Ja, Musik hat schon immer eine große Rolle in meinem Leben gespielt und wird es immer tun. Aber musikalische Seelenverwandtschaft mit einem passionierten Beatles- und The Who- Fan, einen, für den die Pop- und Dancekultur spätestens ab 1980, meine Welt, nichts anderes ist als „Verrat am Rock ’n Roll“? Nein, das konnte beim besten Willen nichts werden. Er spiele auch in einer eigenen Band, so ließ jener Herr nicht ganz meines Alters mit dem Pferdeschwanz noch verlauten, zwar nicht professionell aber doch mit viel Liebe und Herzblut. Seine Band heiße „Jealous?“ und sie sei nach einiger Zeit schöpferischer Pause gerade dabei, noch einmal richtig durchzustarten. Aha. Und was habe ich damit zu tun?

Um die Vorgeschichte abzukürzen: Die Gedankenwelt jenes „Jealous?“-Gitarristen stellte sich im laufe der gemeinsamen Wanderkilometer als bei weitem nicht so weit ab von meiner heraus, wie es im ersten Moment erschien. Und so hielt ich einige Wochen später tatsächlich druck- und pressfrisch die funkelnagelneue „Jealous?“-CD „Until Now“ in meinen Händen und staunte, noch bevor ich auch nur einen Ton gehört hatte: Aufmachung und Gestaltung des Covers und des Booklets genügen absolut professionellen Ansprüchen. Eine kurze Vorstellung der Bandmitglieder und der Stücke, eingebettet in ein schwarz-grün-weißes Design, dem sich auch die hervorragend fotografierten und dank digitaler Tricks mit unwiderstehlicher Dynamik versehenen Bilder unterordnen. Falls hier tatsächlich Amateure am Werk waren, dann solche, denen ihr Steckenpferd wirklich am Herzen liegt.

Apropos professionell: Wer vermutet, „Until Now“ sei eine Art Abklatsch populärer Rocksongs der 60er und 70er, ein Arrangement von Cover-Versionen angereichert vielleicht mit zwei, drei geänderten Akkorden, der kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus: Hier sind echte Individualisten mit eigenen Songs und eigener Identität am Werk. Wenn überhaupt, dann erinnert das Gitarrenintro des letzten Stücks, No Either Or ein wenig an Kansas’ „Dust in the wind“. Der Rest ist ohne populäres Vorbild und das ist auch gut so. Denn „Jealous?“ haben es nicht nötig, sich in vorgefertigten Schubladen zu bewegen, zu groß ist das eigene Potential. Von den ein wenig nach Folk klingenden Stücken Parallel Rainbows und Hills Down By The Sea, über deutliche Country-Anleihen bei Back Home – der Hörer entwickelt hier fast unwillkürlich die Assoziation des langsamem Voran-kommens auf einem der endlosen Highways des Mittleren Westens â€“ bis hin zu Stücken wie Brush oder Waiting, die eindeutig dem klassischen Rock zuzurechnen sind.

Gemeinsam ist allen Stücken eine gewisse Aufrichtigkeit oder, treffender formuliert, ein Abbild des wahren Lebens, abseits aller Hochglanzfassaden. Dies gilt, wenig verwunderlich, für Balladen, wie Unusual Happening, deren Refrain „You said nothing and I ran away, there were no reasons to let me stay“ kurz und knapp jene achselzuckende Desillusionierung am Ende einer Beziehung zusammenfaßt, für deren Erklärung Paarnalytiker ganze Bücher verfassen, aber auch für rockige Stücke wie Brush, dessen „Ashtray full of cigarettes“ eher auf schlaflose Nächte denn auf Partys Bezug nimmt. Besonders bemerkenswert ist die Ballade Tick & Tock . Das Intro wird von einer Mundharmonika dominiert und erhält dadurch einen geradezu bluesigen Charakter. Und nebenbei: Ein solches Instrument muß man erstmal auf solch glaubwürdige Art spielen können!

Friede, Freude, Eierkuchen wird man auf „Until Now“ vergeblich suchen. Die Band macht, um es in der Sprache der Cineasten auszudrücken, engagiertes Programmkino. Keine weltfremden Nischenfilme aber eben auch keine Blockbuster à la Hollywood, bei denen der geübte/gelangweilte Betrachter zumeist nach 5 Minuten die Handlung der verbleibenden 85 Minuten mit hoher Trefferquote vorauszusagen vermag. Immerhin: Ganz ohne Hoffnung wollen „Jealous?“ ihre Hörer dann doch nicht zurücklassen. Microhope, nicht viel, eine kleine Lücke zwischen den Wolken vielleicht, aber immerhin. Denn auch in diesem Stück geht es  â€“ natürlich â€“ um eine Beziehung, die nicht sein kann oder soll. 

Herausragend von der ersten bis zur letzten Sekunde ist Clarissa Rentsch, deren Stimme es tatsächlich schafft, dem gesamten Repertoire, Folk, Country oder Rock, eine eindrucksvolle, authentische Ausdruckskraft zu verleihen, die sich souverän gegen die versammelten Instrumente der Band behauptet und die den Balladen eine melancholische Note zu geben vermag, ohne dabei Gefahr zu laufen, ins kitschige zu abzudriften. Herausragendes Beispiel ist Unique, ein fast allein von Clarissas Stimme lebendes Stück. Ein wahres Juwel in Zeiten, in denen „Superstars“ gecastet werden und wenig später genauso schnell wieder in der Versenkung verschwinden wie sie auftauchten. Ihre Stimme ist es auch, die meinen ganz persönlichen Favoriten, Hills Down By The Sea, zu einem echten Ohrwurm vergoldet.

Fazit: „Jealous?“ liefern mit „until now“ ein abwechslungsreiches und auch für Nicht-Hardcorerocker absolut hörbares Album ab, das es locker mit anderen Bands, auch solchen, die sich selbst zu höherem berufen fühlen, aufnehmen kann. Die Band macht das was sie kann und das macht sie sehr gut. Fundamental experimentelles wird man auf „until now“ vergeblich suchen, die Verknüpfung aufrichtiger Texte mit anspruchsvollen Melodien ist dagegen absolut gelungen. „Jealous?“ sind das, was man in der Wirtschaft gemeinhin als Mittelstand bezeichnet: Abseits des Glanzes der ganz großen aber unverzichtbar für eine lebendige, bunte Musikszene. Letztlich deren Rückgrat. Und so wünsche ich den fünf Heilbronnern, daß „until now“ genau das ist, was der Titel aussagt: Eine Bestandsaufnahme bis zum heutigen Tag, kein Bruch und schon gar kein Schlußpunkt. Eine Band, nicht am Anfang, nicht am Ende, sondern mitten in ihren kreativen Möglichkeiten. Ich persönlich würde mir wünschen, die Band vielleicht einmal auf einem der vielen sommerlichen Open Air-Festivals zu sehen, wie beispielsweise dem Schloßgrabenfest meiner Heimatstadt Darmstadt. Und ich würde mir wünschen, in einigen Jahren einen neuen Schaffensbeweis von „Jealous?“ zu erhalten, dessen Tenor – frei nach Robbie Williams â€“ „What we did since ‚until now’“ lauten könnte. Und das alles, ohne erneut in die Schluchten des Himalaya reisen zu müssen. Versprochen, Matthias?

Reto Theiß